Polyamorie



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Zum Valentinstag beschenken wir den- oder diejenige, den oder die wir lieben – aber wer sagt, dass das nur eine Person sein kann? Was wenn das Herz für mehrere Menschen gleichzeitig schlägt?

So wie sich in der Welt insgesamt Vieles im Wandel befindet, wandeln sich auch die Formen wie wir Beziehungen führen. Unser westlicher Kulturkreis ist noch sehr von der Ansicht geprägt, dass es keine gleichzeitige Liebe zu mehreren Menschen geben kann und eine glückliche Partnerschaft keine weiteren Beziehungen braucht. Die steigenden Scheidungsraten und auch die zunehmende Toleranz gegenüber heimlichen oder offenen Affären sprechen jedoch eine andere Sprache. Das Ideal der einen und wahren Liebe, die ein Leben lang hält wird noch von Hollywoodfilmen und Liebesromanen gefüttert – in der Realität ist dies selten zu finden. Tatsächlich leben wir mittlerweile überwiegend in serieller Monogamie, das heißt wir gehen nacheinander monogame Partnerschaften ein, wo wir unserem Partner für die Dauer der Beziehung die Treue versprechen.

Beziehung und Liebe neu gedacht

Das klassische monogame Bild einer Beziehung sieht Mann und Frau für sich allein genommen als unvollkommen an. Erst mit der Partnerschaft ist die Vollkommenheit erreicht. Zeitgemäßer betrachtet sind die einzelnen Partner für sich schon vollkommen. In der Beziehung entwickeln sie sich in ihrer Persönlichkeit weiter, teilen die schönen Momente des Lebens miteinander und unterstützen einander.

Gibt es zärtliche Nähe zu anderen Menschen außerhalb der Paarbeziehung wird dies oft als Zeichen dafür gedeutet, dass in der Partnerschaft etwas fehlt und das Ziel ist es, den Mangel zu erkennen und in der Partnerschaft zu erfüllen. Wenn wir allerdings davon ausgehen, dass die Paarbeziehung nicht das Allheilmittel für alle Bedürfnisse der Partner ist, können Nähe und Intimität außerhalb der Paarbeziehung diese bereichern.

Über die Liebe haben wir bereits als Kinder gelernt, dass es nur eine begrenzte Menge von ihr gibt, da uns unsere Eltern nur in begrenztem Maße Aufmerksamkeit bzw. Liebe geben konnten – sei es aus den jeweiligen äußeren Umständen heraus oder aus der mangelnden Fähigkeit der Eltern Liebe zu geben. Daraus haben wir geschlossen, dass wir uns die Liebe auch als Erwachsene noch erkämpfen und sichern müssen. Die menschliche Fähigkeit Liebe zu geben ist aber viel größer als wir gemeinhin verinnerlicht haben. Daher ist es auch möglich mehrere Menschen gleichzeitig ganz unterschiedlich zu lieben.


“Wie wir lieben, hängt davon ab, wie frei wir von Vorstellungen, Konzepten und Erwartungen sind.” - Eckhart Tolle

Mehr als eine Liebesbeziehung – geht das?

In den 1960er Jahren begann die Bewegung, die sich offenen Intimbeziehungen zuwandte und monogamen Langzeitbeziehungen den Rücken kehrte. Die sogenannte sexuelle Revolution ist Teil des gesellschaftlichen Wandels von einengenden Traditionen hin zu einem freien selbstbestimmten Leben. Mittlerweile wurde die Bezeichnung „Polyamorie“ durch Ratgeber-Literatur geprägt, die überwiegend auf eigenen Erfahrungen der Autoren beruht. Die Frage, die sich denjenigen stellt, die Beziehungen mit mehreren Partnern eingehen wollen, ist vor allem: „Wie kann das im alltäglichen Leben gut funktionieren und so Erfüllung bringen?“

Wichtig ist, Polyamorie von anderen Beziehungsformen zu unterscheiden. Denn für das Gelingen von Liebesbeziehungen zu mehreren Menschen sind einige moralische Grundsätze elementar, die dem Miteinander den nötigen Rahmen geben.

Zentrale Grundpfeiler sind Ehrlichkeit und Transparenz. Das heißt vor allem, dass alle beteiligten Partner voneinander wissen. Heimliches Fremdgehen ist ein No-Go. Auch im alltäglichen Umgang legen alle ihre Gedanken und Gefühle offen und verstecken sich nicht hinter Lügen, die ihrer eigenen Wahrnehmung widersprechen. Fehlen die Ehrlichkeit und Transparenz, entstehen leichter Gefühle von Vernachlässigung, Zurückweisung oder Eifersucht. Dazu ebenfalls wichtig ist, dass die Bedürfnisse aller Beteiligten gleichberechtigt sind. Das heißt, dass alle mit den vorhandenen Beziehungen einverstanden sind und bei auftretenden Konflikten Lösungen gesucht werden, die von allen mitgetragen werden können. Die grundlegende Intention der beteiligten Partner ist es langfristige Beziehungen einzugehen, wobei die Partner untereinander am jeweiligen Alltagsleben der anderen teilhaben. Das heißt es geht nicht darum, mit so vielen Menschen wie möglich ins Bett zu gehen, sondern um die ganze Bandbreite dessen, was Liebe bedeuten kann.


Das große Thema Eifersucht

Sobald wir uns emotional auf eine Beziehung einlassen, kommen wir früher oder später an Gefühle der Eifersucht. Für manch einen macht es die Beziehung erst prickelnd, übertriebene Eifersucht kann die Liebe aber auch ersticken. In einem Beziehungsgeflecht mit mehreren Liebespartnern/-innen ist es daher besonders wichtig einen konstruktiven Umgang mit der Eifersucht zu finden, zum Beispiel indem sich die Beteiligten mit ihren Partnern freuen, wenn diese erfüllende Erfahrungen mit anderen machen. Dazu hilft es sich klar zu machen, dass Eifersucht im Grunde genommen eine erlernte Gefühlsreaktion ist, die darauf basiert, dass jemand Angst vor Verlust hat und sich nicht mehr in einem Vertrauensverhältnis befindet. Häufig verwechseln wir Eifersucht mit Liebe oder glauben sie sei notwendiger Bestandteil der Liebe - nach dem Motto „Je eifersüchtiger ich bin, desto mehr zeigt das, wie sehr ich meinen Partner liebe.“ Eifersucht hat für polyamoröse Menschen aber nichts mit Liebe zu tun. Sie ist weder Beweis für die Tiefe und Qualität der Liebe noch ist sie zwangsläufig Teil einer Partnerschaft.

In allen Bereichen der Partnerschaft ist der verantwortungsvolle und offene Umgang miteinander zentral – das gilt für jede Beziehung, die für alle Beteiligten erfüllend sein soll, egal ob wir nun einen oder mehrere Menschen lieben. Nimm den Valentinstag doch für dich mal als Anlass, um darüber nachzudenken, wie du lieben möchtest.







Psychologie
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