Autoren-Interview



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Manchmal ist man ganz unten - da ist es wichtig, nicht nur mit Freunden darüber zu sprechen, sondern auch mit einer neutralen Person. Das Positive, was unser/r Autor/in erlebt hat, möchte sie/ er mit dem Sorgen-Tagebuch zurückgeben. Das Interview:

 

Wie hast du deinen Weg ins Sorgen-Tagebuch Autoren Team gefunden?

Ich habe nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit gesucht, bei der ich mit Menschen arbeiten kann und bei der ich meine Lebenserfahrung, meine Erfahrungen mit schweren Situationen und vor allem auch mein Wissen in Bezug auf psychische Krankheiten einbringen kann. Ich habe gegoogelt und bin sehr schnell auf das Sorgen-Tagebuch gestoßen; es gab natürlich auch andere Angebote, aber hier haben mich von Anfang an die flexiblen, ortsunabhängigen Arbeitszeiten begeistert. Dazu kommt noch, dass ich auch immer schon gerne geschrieben habe, auch Tagebuch; Internetaffin bin ich ohnehin - das passte daher einfach perfekt zusammen. Der Vorstand hat übrigens auch sehr schnell auf meine Anfrage reagiert, auch das ist nicht unbedingt selbstverständlich, wenn man nach ehrenamtlichen Tätigkeiten sucht. So war ich recht schnell dabei, weil mich das Angebot sofort überzeugt hat.


Wieso setzt du dich ehrenamtlich für Unbekannte ein - wieso ist dir das persönlich wichtig?

Ich würde genau das, was ich hier mache, sehr gerne beruflich machen und dann auch therapeutisch arbeiten (was wir hier natürlich nicht dürfen). Dafür schlägt mein Herz. Ich bilde mich daher nebenberuflich weiter. Hier konnte ich bereits vieles einbringen und auch ganz viel von den Nutzern lernen. Ich kann hier bereits erste Erfahrungen sammeln, indem die Nutzer mir ihr Vertrauen schenken. Ich finde das nicht selbstverständlich und möchte mich an der Stelle auch mal bei den Nutzern bedanken, die uns das Vertrauen geben.

Persönlich ist es mir sehr wichtig, anderen in belastenden Situationen zur Seite zu stehen, weil ich selbst weiß, dass man mal ganz unten sein kann und nicht mehr ein noch aus weiß. Es ist etwas anderes, mit Freunden darüber zu sprechen als mit neutralen Personen - von ihnen nimmt man vielleicht noch eher Kritik und Tipps an, um sich auch selbst wieder aus der Situation zu befreien oder eben einen Weg gezeigt zu bekommen, wie man mit Hilfe wieder aus der Situation herauskommt. Manchmal braucht es ein wenig Anstoß von außen. Ich möchte das, was ich bisher auch Positives im Leben erlebt habe und wo ich Unterstützung von anderen Menschen in schlimmen Lebenslagen hatte, hier auch zurückgeben. Es ist für mich ein wunderschönes Gefühl, wenn ich einen Nutzer erreicht habe und ich ihm helfen konnte. Hilfe weiter zu geben, wenn ich dazu in der Lage bin, ist inzwischen tatsächlich der Sinn meines Lebens geworden.


Wie fühlst du dich dabei die Texte zu lesen, die teilweise auch sehr traurig sind?

Es ist so, dass mich solche Texte natürlich berühren und nicht kalt lassen. Ich bin in dem Moment mit dabei, fühle mit dem Nutzer und kann auch verstehen, warum es dem Nutzer schlecht geht. In dem Moment bin ich ganz bei dem Nutzer und kann die Trauer auch mitfühlen. Trotzdem bin ich mit einer gewissen Distanz dabei, um dem Nutzer auch wirklich helfen zu können und ihm zur Seite stehen zu können. Wenn ich mich komplett mit in die Trauer hineinziehen lassen würde, könnte ich diese Arbeit nicht machen und es wäre niemandem geholfen.


Hattest du schon mal den Eindruck, dass dir die Texte sehr nahe gehen und was tust du, um wieder etwas Abstand davon zu nehmen?

Ich kann mich daran erinnern, dass ich bei einigen wenigen Texten so überwältigt war von dem, was geschrieben wurde, dass mir die Tränen kamen. Das kommt sehr selten vor, weil die Distanz auch ganz wichtig ist, um angemessen reagieren zu können, wie ich schon gesagt habe. Aber ich bin natürlich auch nur ein Mensch. Das sind dann entweder Texte, bei denen ich einfach nur wütend und unfassbar traurig werde, wie Menschen anderen Menschen so etwas antun können oder Texte, die ihren Dank ausdrücken und ich tatsächlich den Eindruck habe, dass ich persönlich wirklich etwas im Leben eines Nutzers erreicht habe. Das überwältigt mich einfach und es berührt mich. Ich bleibe vor dem Laptop sitzen und lasse diese Gefühle dann zu, weil ich sie auch wichtig finde und weder ein Nutzer noch ein Autor eine Maschine ohne Gefühle sind. Ich nehme mir die Zeit, um anschließend vom Laptop weg zu gehen und ihn bewusst an seinem Platz stehen zu lassen. Ich mache dann etwas völlig anderes, wie zum Beispiel Musik hören oder mit Freundinnen whatsappen - man hört dann etwas völlig anderes und ist ganz raus aus dem Thema Sorgen-Tagebuch.

 

Fällt es dir manchmal schwer auf bestimmte Themen zu reagieren und wie gehst du dann damit um?

Ich habe (wie viele Autoren, glaube ich) bestimmte Lieblingsthemen, die ich ohne Probleme beantworten kann und bei denen ich mich auch sehr sicher fühle. Andere Themen beherrsche ich nicht so gut - es kann natürlich sein, dass sich ein anderes Thema später im Verlauf der Texte eines Nutzers zeigt und ich dann natürlich auch darauf reagieren möchte. Bei manchen pädagogischen Fragen, die die Kindererziehung betreffen, bin ich zum Beispiel nicht so eine große Leuchte. Unter den Autoren findet aber unter Wahrung der Anonymität ein Gedankenaustausch statt und man kann jederzeit andere Autoren fragen, wie man reagieren sollte und was man am besten dazu sagen kann - es wird einem der Hintergrund zu etwas erklärt und es ergeben sich daraufhin häufig auch angeregte Diskussionen. Ich liebe diese Teamarbeit, weil man so unendlich viel auch von anderen Autoren lernen kann. Jeder Autor hat ja einen anderen Hintergrund, sei es beruflich oder auch vom Alter her. So vereinen wir ganz viel Wissen in ganz vielen Bereichen. Wenn man fragt, bekommt man ganz viel Input und entwickelt daraus sogar oft noch ganz eigene Ideen für eine Antwort. Zudem gibt es vom Sorgen-Tagebuch aus auch manchmal Seminare, die vor allem bei Themen wie Suizidalität sehr weiterhelfen. Zusammengefasst heißt das für mich: auch ein Autor holt sich jederzeit Hilfe von außen, um noch besser helfen zu können. Es würde mir nichts bringen, alles mit mir selbst ausmachen zu wollen und mir krampfhaft zu überlegen, was ich nun schreiben könnte. Andere können sofort mit ihren Ideen helfen und man wird auch für keine Frage ausgelacht.


Welche persönlichen Erfahrungen helfen dir, die Texte zu beantworten?

Mir helfen alle Erfahrungen, die ich im zwischenmenschlichen Bereich gesammelt habe, bei der Beantwortung der Fragen - sei es in Freundschaften oder in Partnerschaften. Wenn man selbst etwas erlebt hat, weiß man genau, wovon ein Nutzer spricht. Auch schwerwiegende körperliche Diagnosen in meiner Jugend helfen, mir die Probleme der Nutzer vorstellen zu können, wenn sie mit extremen Situationen konfrontiert werden. Auch alle Erfahrungen im Berufsleben mit Kollegen und Chefs sind natürlich hilfreich, wenn man einen Text beantwortet. Man kann vieles nachvollziehen. Natürlich reagiert jeder Mensch anders, aber es hilft ungemein, selbst schon einiges durchgemacht zu haben.






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Wichtiger Hinweis: Unser Tagebuch wird von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gepflegt und betreut. Wir bieten keine medizinische, juristische oder psychologische Beratung. Unsere Antworten basieren auf Lebenserfahrungen und der persönlichen Einschätzung unserer Autorinnen und Autoren. Sie sollen den Schreibern helfen, nicht alleine mit ihren Problemen dazustehen, ihnen Mut machen und neue Wege aufzeigen.

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