Autoren-Interview: Die eigenen Grenzen kennen
Die Erfahrungen, die man in seinem Leben macht - ob gut oder schlecht - sind wertvoll und man kann sie nutzen, um anderen Menschen in einer ähnlichen Situation zu helfen. Unser/e Autor/in erklärt, wie er/sie das macht und wieso es wichtig ist, die eigenen Grenzen zu kennen. Das Interview:
Wie hast du deinen Weg ins Sorgen-Tagebuch Autoren-Team gefunden?
Ich hatte nach einem Umzug in eine neue Stadt etwas Langeweile, weil ich noch nicht so viele Menschen hier kannte. Ich hatte schon lange Mal überlegt, ehrenamtlich zu arbeiten und habe mich direkt an den Computer gesetzt und mich erkundigt. Das Sorgen-Tagebuch war zu diesem Zeitpunkt noch recht neu, stand aber zum Glück bei meiner Recherche ganz oben und wurde mir als eins der ersten Ergebnisse aufgelistet. Ich habe neugierig nachgelesen, worum es geht und das Konzept hat mir sehr gefallen. Daraufhin habe ich mich sofort mit dem Vorstand in Verbindung gesetzt … und hier bin ich immer noch.
Wieso setzt du dich ehrenamtlich für Fremde ein und wieso ist dir das persönlich wichtig?
Da gibt es so ein schönes Zitat, dass ich gerade gelesen habe: „Das Geheimnis des Glücks liegt nicht im Besitz, sondern im Geben. Wer andere glücklich macht, wird glücklich.“ (André Gide)… Und der gute Mann hat Recht. Ich habe mich im Leben auch schon aus vielen unangenehmen Situationen „herausgeschält“ und es macht mir Spaß, dass das alles nicht umsonst war, sondern, dass es anderen Menschen helfen kann, wenn ich von meinen Erfahrungen berichte. Das gibt meinem Leben einen Sinn, der mir wirklich gut gefällt und mir selber gut tut.
Wie fühlst du dich dabei die Texte, die teilweise auch sehr traurig sind, zu lesen?
Ich habe schon ein wenig Eingewöhnungszeit gebraucht, die doch teilweise sehr harten Schicksale zu verdauen. Am Anfang hat es mir auf jeden Fall sehr geholfen, vom Vorstand und anderen Autoren Unterstützung zu bekommen. Mittlerweile haut mich so schnell nichts mehr um. Es ist nicht so, dass ich abgebrüht geworden bin, aber ich habe gelernt, dass ich mit Mitgefühl viel weiter komme als durch Mitleid. Ich kann mich in die Position des Schreibenden hineinversetzen, leide aber nicht persönlich mit. Und wenn ich den Computer ausmache, bin ich wieder ich selbst, mit meinem eigenen Leben und Problemen. Die einzige Einflussnahme äußert sich darin, dass die eigenen Probleme dann in Relation zu all den fremden Geschichten in der Größenordnung doch sehr schrumpfen. Also auch hier eigentlich ein Vorteil für mich.
Welche persönlichen Erfahrungen helfen dir, die Texte zu beantworten?
Alle! Jede Situation in meinem Leben war und ist wichtig. Die guten genauso wie die schlechten. Und jeder Autor wird mit Anhäufung an Lebenserfahrung wohl automatisch besser werden, weil man das Leben immer besser durchschaut und Dinge erkennt, die man als junger Hüpfer doch eher übersehen hat. Und wenn man dann noch ein Talent hat, diese Erkenntnisse anderen Menschen zu vermitteln, dann ist es perfekt.
Hattest du schon mal den Eindruck, dass dir die Texte sehr nahe gehen und was tust du um wieder etwas Abstand davon zu nehmen?
Sicherlich gab es da ein paar Härtefälle, die nicht so einfach auf Knopfdruck aus dem Gedächtnis zu löschen waren. Aber da sind wir ja inzwischen durch unsere Supervisionen, die wir in Anspruch nehmen können, gut abgesichert. Außerdem habe ich das Glück in meinem privaten Freundeskreis viele Menschen zu haben, die in der Hinsicht gute Ansprechpartner sind. Die Antwort heißt also eindeutig: Reden, reden und nochmals reden!
Fällt es dir manchmal schwer auf bestimmte Themen zu reagieren und wie gehst du dann damit um?
Wenn mir mal ein Thema über den Weg läuft, das mir persönlich in meinem Leben noch nicht so untergekommen ist, dann versuche ich trotzdem mich einzufühlen. Dann wird der Schreiber des Tagebuchs vorsichtig gelöchert. Dann muss ich ausloten, was ich fragen kann/darf und mich vorsichtig vortasten. Manchmal gibt es da Missverständnisse, aber mit etwas Geduld funktioniert es auch und die Menschen freuen sich, dass man Interesse zeigt und versucht sie zu verstehen. Wenn ich allerdings merke, dass ein Tagebuchtext Gefühle in mir auslöst, weil er vielleicht Dinge in mir anspricht, die ich selber noch nicht ganz verdaut habe, lasse ich lieber andere Autoren ran. Es würde dem Menschen, der sich in Not an das Tagebuch wendet, nicht helfen, wenn er meinen ganz persönlichen Frust zu dem Thema abbekommen würde. Da muss man schon erkennen können, wo die eigenen Grenzen liegen.
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