Vollstationäre Wohngruppe - Was ist das überhaupt?
Wenn es zurzeit nicht möglich ist, bei seinen Eltern aufzuwachsen, ist die vollstationäre Wohngruppe eine Alternative. Wir haben für euch zusammengefasst, was eine Wohngruppe ist und wie sie die Lebensqualität verbessern kann.
Die Jugendhilfe in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark gewandelt. Bis in die 1970er Jahre waren die Betreuungsformen von Kindern und Jugendlichen lediglich darauf ausgelegt denjenigen, deren Eltern sich nicht um sie kümmern konnten, einen festen Wohnplatz zu bieten.
Heute geht die Jugendhilfe weit über die Sicherung des Überlebens hinaus. Das klassische "Heim" heißt nun „Wohngruppe“. Hier wohnen Kinder und Jugendliche, die in ihrer Kindheit schwere Schicksalsschläge verkraften mussten, oder bei denen eine liebevolle Atmosphäre zwischen Eltern und Kind zur Zeit nicht gewährleistet werden kann. Ein anderer Grund für die Unterbringung eines Kindes in einer Wohngruppe kann auch die psychische Erkrankung der Eltern oder des Kindes selbst sein.
Die vollstationäre Jugendhilfe ist auch im Sozialgesetzbuch verankert. Sie soll mit den Eltern zusammenarbeiten. Das Ziel der vollstationären Jugendhilfe ist, dass das Kind in die Familie zurückkehren oder mit der Volljährigkeit in eigenen vier Wände leben und für sich selbst sorgen kann.
Wer arbeitet in einer Wohngruppe und für wen ist sie ausgelegt?
Häufig führen Pädagogen und Kinder bzw. Jugendliche in der Wohngruppe ein familienähnliches Zusammenleben. Es wird darauf gebaut, dass ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander besteht. Auch die eigentliche Familie soll miteinbezogen werden, denn so kann verhindert werden, dass Schuldgefühle aufkommen weil das Kind nicht mehr in der Herkunftsfamilie leben kann.
In einer Wohngruppe arbeiten Menschen, die eine pädagogische Ausbildung oder ein pädagogisches Studium absolviert haben. Dazu gehören Erzieher, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter etc. Sie nennen sich allerdings meist „Betreuer“, damit keine Unterschiede erkennbar sind und so jeder von ihnen gegenüber den Jugendlichen Betreuten die gleich Position einnimmt.
Wohngruppen können sehr unterschiedlich sein. Das liegt daran, dass sie unterschiedliche Schwerpunkte haben. Manche sind für psychisch erkrankte Kinder ausgelegt, andere für verwaiste Kinder, Kinder mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Kinder mit Schicksalsschlägen oder auch für Kinder, deren Verhalten, einen falschen Weg einschlägt und in einer Familie nicht angemessen darauf eingegangen werden kann.
Was sind die Vor- und Nachteile einer Wohngemeinschaft?
Die Wohngemeinschaft hat den Vorteil, dass eine Struktur, die junge Erwachsene brauchen, vorhanden ist. Diese kann das Fachpersonal gewähren, weil es zu jeder Uhrzeit anwesend ist und geregelte Tagesabläufe anstrebt. Dazu gehören festgelegte Mahlzeiten und alltägliche Aufgaben, die im späteren Leben auf die Jugendlichen zukommen und so geübt werden können.
Durch die Unterstützung der Betreuer ist das angestrebte Berufsleben der Kinder bzw. Jugendlichen einfacher zu erreichen. Die Betreuer haben mit langjähriger Berufserfahrung zahlreiche Heranwachsende zu ihren Traumberuf verholfen. Daher kennen sie die Firmen im Umkreis und wissen welcher junge Mensch gut in die jeweilige Firma passt.
Jedoch besteht die Gefahr, dass die Jugendlichen innerhalb einer Wohngruppe , nicht so gut miteinander auskommen, weil die unterschiedlichen Charaktere sich das Zusammenleben nicht selbst aussuchen, sondern die Zusammensetzung zufällig ist. Daher arbeiten die pädagogischen Fachkräfte, also die Betreuer, daran, dass die Heranwachsenden lernen mit anderen auszukommen, auch wenn diese ihnen anfangs vielleicht wenig sympathisch sind.
Wie werde ich Teil dieser Wohngemeinschaft?
Wenn jemand Zuhause Schwierigkeiten hat und nicht mehr dort leben möchte, wird zunächst von den Eltern oder demjenigen selbst das Jugendamt kontaktiert. Dort gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Probleme zu lösen - eine davon ist die Wohngruppe. Wenn eine vollstationäre Unterbringung sinnvoll erscheint, sucht der zuständige Sozialarbeiter eine passende Wohngemeinschaft, in der ein Vorstellungsgespräch stattfindet. Dann wird entschieden, ob der Platz dort geeignet ist oder nicht.
Wenn die Eltern nicht freiwillig der Unterbringung in einer Wohngruppe zustimmen, kann nach entsprechender Antragstellung das Gericht entscheiden, ob der Heranwachsende die Herkunftsfamilie räumlich verlassen muss. Dies wird jedoch nur in ganz speziellen Fällen durchgesetzt, zum Beispiel wenn das Kind Gewalt ausgesetzt wird oder die Eltern die Erziehung nicht vollziehen können (z.B. wegen Alkoholmissbrauch oder massiven psychischen Krankheiten).
Insgesamt kann eine Wohngemeinschaft in der Jugendhilfe also ein Gefühl von "Zuhause" vermitteln. Auch wenn dort ein familienähnliches Zusammenleben stattfindet, ersetzt es jedoch nicht eine Familie. Die geschulten Mitarbeiter haben ein Auge dafür, was jedes einzelne Kind bzw. Jugendlicher für eine individuelle Förderung und Struktur braucht. Dies ist ein großer Schritt in eine eigenverantwortliche Zukunft.
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